Weltbekannte Gäste und verborgene Schätze
Veröffentlicht von waltergrafik am
Kultur
Weltbekannte Gäste
und verborgene Schätze
Aufgrund seiner Lage direkt an der Traun beherbergte das 1056 gegründete Stift Lambach im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche berühmte Persönlichkeiten. Ihnen kann man heute noch begegnen.
Es waren sicher sehr hektische Monate für die Mönche, als sich Stift Lambach auf den Stopp der Brautfahrt von Marie Antoinette im Benediktinerkloster vorbereitete. Der Tross, der aus 57 Kutschen, 350 Pferden und 235 Personen bestand, machte auf seiner 24-tägigen Tour von Wien nach Versailles am 23. April 1770 in Lambach Station. Um die Braut gebührend zu empfangen, ließ Abt Amandus Schickmayr das in der zweiten Etage des Stiftes gelegene „Theatrum in beßeren Stand richten“ und in knapp vier Wochen von Johann Wenzel Turetschek künstlerisch ausgestalten. Und Pater Maurus, der leidenschaftlich gerne dichtete, erhielt den Auftrag, ein Theaterstück für die Aufführung zu schreiben. Die Mühe lohnte sich: der Überlieferung nach hat sich die damals erst 14-jährige Marie Antoinette bei „Der kurzweilige Hochzeitsvertrag“ bestens amüsiert.
Heute staunen Besucherinnen und Besucher des Stiftes Lambach über das einzige erhaltene barocke Klostertheater, das durch verschiedene Tricks größer und pompöser wirkt als es in Wirklichkeit ist. Dazu gehören beispielsweise aufgemalte Türen und Logen, die aussehen als wären sie dreidimensional. Aufmerksame Betrachter entdecken in einer auf dem rechten Balkon über der Bühne sitzenden Figur auch den Künstler Turetschek, der sich dort verewigte, da man ihm seinen Lohn schuldig blieb. Seit zwanzig Jahren ist das Theater wieder regelmäßig im Betrieb, zwei bis drei Produktionen bringt der Verein Barocktheater Lambach im Jahr auf die Bühne.
Musikgenie Mozart
Die spätere französische Königin war nicht die einzige bekannte Persönlichkeit, die im Laufe der Zeit im Stift Lambach weilte. Der kunst- und musikbegeisterte Abt Amandus, der 48 Jahre lang dem Kloster vorstand, war ein Freund von Leopold und Wolfgang Amadeus Mozart, die ebenfalls bei den Benediktinern zu Gast waren. Auf einer Reise mit seinem Wunderkind von Salzburg in den Osten Österreichs legte Leopold Mozart auf dem Hin- und Rückweg einen Halt im Stift Lambach ein und die beiden Musiker schenkten dem Abt als Dank für seine Gastfreundschaft zwei Sinfonien. Die einzig erhaltenen Abschriften dieser Kompositionen in G‑Dur wurden im Musikarchiv des Stiftes 1923 wiederentdeckt und erforscht – eine stammt vom zwölfjährigen Wolfgang Amadeus, die andere von seinem Vater Leopold. Eine CD der Lambacher Sinfonien mit spannenden Erläuterungen dazu gibt es im Klostershop.
Anschlag auf Napoleon
Von dramatischen Zeiten und ungeliebten Gästen erzählen drei Kanonenkugeln in der Mauer des Stiftshofes: französische Truppen überfielen Lambach in den Koalitionskriegen von 1800 bis 1809 und Napoleon persönlich quartierte sich auf seinem Durchzug nach Wien zwei Mal im Kloster ein. Im Torturm des Stiftes lauerte ihm ein Lambacher Büchsenmacher auf, der den Feldherrn bei seiner Ankunft töten wollte. Ein Pater verhinderte den Anschlag im letzten Augenblick. Die eingemauerten Kanonenkugeln erinnern an die Kämpfe und ein Schreibtisch im Musikgang der Abtei von den Aufenthalten des selbstgekrönten französischen Kaisers.
Tausendjährige Fresken
Weder Napoleon noch Mozart oder Marie Antoinette ahnten, dass ein großer Schatz verborgen die Jahrhunderte im Stift Lambach überdauerte: ein Raum voller farbenfroher romanischer Fresken. Wer ihn betritt, hält unwillkürlich den Atem an, dreht sich langsam im Kreis, blickt an den Wänden hoch, legt den Kopf in den Nacken – und ist von prächtigen Gemälden umgeben, die Geschichten lebendig werden lassen. „Vor nahezu 1.000 Jahren wurden diese Bilder mit Ölfarbe auf den nassen Putz gemalt“, erzählt Theresa Aigner, die eine Besuchergruppe unter die Türme der Stiftskirche geführt hat. „Diese Fresken sind originalgetreu erhalten. Erste Teile wurden erst Mitte des 19. Jahrunderts entdeckt und nach und nach freigelegt, seit 1967 kann der Freskenraum besichtigt werden.“ Tünche, Verstärkungsmauern und ein viel höher gelegener Fußboden sorgten dafür, dass die Gemälde so gut erhalten blieben und heute die ältesten romanischen Fresken nördlich Roms darstellen. „An ihnen kann man auch den Wissensstand der Menschen damals ablesen“, so Theresa Aigner. „Die Wüste beispielsweise ist grün gemalt, weil man es nicht besser wusste und sie sich so vorstellte.“
„Internet Explorer von damals“: am Drehpult konnten zwei Mönche gleichzeitig Infos aus bis zu 16 Büchern heraussuchen.
WENN DER ZORNIGE NAPOLEON DURCH DAS STIFT TOBT
„Merde! Diese verdammten Österreicher!“ – laut und energisch reißt Napoleon die Türe auf und stürmt in den Raum. Die Gästegruppe hält den Atem an. Und verfolgt den wütenden Auftritt des französischen Kaisers, der eben einem Hinterhalt im Stift Lambach entkam. „Ich habe einiges recherchiert und nachgelesen, mich in Napoleon hineinversetzt, seine Haltung auf Bildern studiert“, erzählt Daniel Armellini, der den Feldherrn verkörpert. Bei der Highlight-Führung „Berühmte Gäste erzählen“ stehen Gäste zu bestimmten Terminen dem tobenden Napoleon Auge in Auge gegenüber. „Im Barocktheater treffen die Besucherinnen und Besucher auf Marie Antoinette, die dort auf der Bühne sitzt und sich an ihre Brautfahrt und den Aufenthalt im Stift erinnert. Die zweite Station nach rund einer halben Stunde ist dann Napoleon. Ich habe die Rolle zornig angelegt. Einmal ist ein Gast, der zu nah an der Türe stand und mir den Rücken zukehrte, ganz blass geworden… da muss ich aufpassen, dass ich die Leute nicht zu sehr erschrecke, aber ich versuche, Napoleon so authentisch wie möglich darzustellen“, berichtet der Schauspieler, der hauptberuflich als Werkzeugmacher in der Metallbranche arbeitet. Um den französischen Kaiser zu mimen, hat er sich hohe Reitstiefel besorgt und lässt sich vor Auftritten extra Koteletten wachsen. Für die neue Dauerausstellung, bei der Besucher die „berühmten Gäste“ auch abseits der Live-Führung erleben können, standen Daniel Armellini und seine Kollegen jüngst vor der Kamera. In Filmausschnitten entführen Napoleon, Marie Antoinette und Mozart in ihre Zeit und lassen die Gäste, die Jahrhunderte später im Stift Lambach sind, an ihren Aufenthalten teilhaben. Die Schauspieler sind alle Mitglieder im Theaterverein Barocktheater Lambach, der nicht nur die historischen Persönlichkeiten zum Leben erweckt, sondern auch das einzig erhaltene Klostertheater Österreichs bespielt. Zwei bis drei Produktionen – vor allem Komödien – werden im Jahr auf die Bühne gebracht.
„Dieses Theater hat
ein ganz besonderes Flair“, schwärmt Daniel Armellini. „Die alten Holzdielen knarren, der Vorhang wird noch mit der Hand gekurbelt und es spielen Personen mit sehr viel Theatererfahrung unter einer professionellen Regie. Ich bin wahnsinnig glücklich, hier dabei sein zu können.“
STIFT LAMBACH ENTDECKEN
FÜHRUNGEN
Von Ostersonntag bis 31. Oktober gibt es von Mittwoch bis Sonntag um 14.00 Uhr eine Führung, Treffpunkt ist im Stiftshof, um Voranmeldung wird gebeten. Gruppenführungen ab 10 Personen sind nach Absprache ganzjährig möglich.
Aktuelle Termine der zweistündigen Highlight-Führungen „Berühmte Gäste erzählen“ sind auf www.stift-lambach.at aufgelistet.
Die Dauerausstellung mit dem Freskenraum kann ohne Führung täglich (bis 31. Oktober) von 9.00 bis 17.00 Uhr besichtigt werden, Tickets dafür gibt es am Ticketautomaten. Ab Ostern 2023 wird der Museumsbereich, der auch die Kupferstiche von Pater Koloman Fellner umfasst, um die „berühmten Gäste“ erweitert.
Weitere Infos: www.stift-lambach.at