Klöster stellen sich den Fragen des modernen Menschen
Veröffentlicht von waltergrafik am
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Klöster stellen sich dem Fragen des modernen Menschen
Mag. Dr. Pater Gerfried Sitar ist im Stift
St. Paul Kustos der Stiftssammlungen und ein Mann offener Worte, der gerne kritisch hinterfragt. Wir sprachen mit ihm über Klöster in der heutigen Zeit.
Pater Gerfried, Sie sagen, das Wichtigste an der Benedikt-Regel „Ora et labora et lege“ sei das „et“. Können Sie das näher erläutern?
Pater Gerfried: Obwohl diese Worte oft dem heiligen Benedikt selbst in den Mund gelegt werden, sind sie nur die saloppe Verkürzung einer 73 Kapitel umfassenden Ordensregel, die zwischen 530 und 540 n. Chr. entstanden ist und sich auf mehrere ältere Quellen stützt. Dabei geht es nicht um theologische Exkurse, sondern um praktische Anleitungen für ein Leben in einer Gemeinschaft. Zunächst sieht der Ordensvater in der Gottsuche das Wesentliche für die Berufung zum Mönch, während ihm in allen Bereichen die Temperantia – die Mäßigung – wichtig scheint. Das richtige Maß in allen Dingen schafft so etwas wie die Work-Life-Balance des monastischen Menschen. Dabei soll Übertreibung in jedem Fall vermieden werden und damit wird auch einem „Fanatismus“ vorgebeugt, der letztlich immer ausgrenzend ist. Das kleine und scheinbar schwache Wort „et“ stellt dabei die Brücke zwischen den Tätigkeiten des Alltags her – dem Gebet, der Arbeit und dem Studium (Lesung). Aus dieser Verbindung soll garantiert werden, dass der Mönch oder die Nonne nicht in eine Richtung kippt und dadurch einseitig wird. Gebet ist kein Ersatz für die Arbeit und Arbeit kein Ersatz für das Gebet und beide nicht für die Weiterbildung. Dabei bedingt aber eines das andere in der Achtsamkeit für das momentane Tun, so wird Arbeit zum Gebet und Gebet zur Arbeit im „Weinberg für den Herrn“. Darin liegt die Kraft des Wörtchens „et“, damit ein gesunder Ausgleich zwischen geistlicher Übung, dem manuellen Arbeiten und der geistigen Beschäftigung mit Texten aus der hl. Schrift oder Literatur geschaffen wird. Dieser Rhythmus, dem auch feste Zeiten im Tagesablauf zugedacht sind, bestimmt das klösterliche Leben und wird zur Basis der Gelassenheit, die den Ordenschristen trägt.
Wer heute ein Kloster besucht, meint oft, in eine recht fremde Welt einzutauchen, doch die Geschichte Österreichs ist eng mit den Klöstern verbunden.
Pater Gerfried: Der Geraser Abt Joachim Angerer hat den Begriff Klösterreich geprägt. Die Klöster sind Wiegen der Geschichte unseres Österreich, weil sich in ihrer Geschichte das Werden des Landes spiegelt, das Ringen der Menschen um Identität, die Förderung der Kultur und der Kunst, aber auch das Entstehen des Landes mit seinen landwirtschaftlichen Flächen, der Kultivierung des Waldes und das Entstehen von Orten und Städten. Darüber hinaus leisteten die Klöster einen wichtigen Beitrag zur Erforschung historischer Grundlagen, aber auch zur wissenschaftlichen Evolution in zahlreichen Bereichen wie Mathematik, Naturwissenschaft, Medizin und Technik. Der Bogen der pastoralen Tätigkeit eines Klosters ist sehr weit gespannt – er reicht von der Pflege der klösterlichen Liturgie über den seelsorglichen Dienst in den unseren Stiften anvertrauten Pfarren bis hin zu Bereichen wie Wirtschaft und Kultur, ebenso dem Führen von Schulen und Bildungseinrichtungen. Abgesehen davon haben die Stifte die Kulinarik und Weinkultur Österreichs maßgeblich mitgestaltet. Genuss und Lebenskultur gehören untrennbar zueinander und sind maßgeblich für die Balance zwischen Seele und Körper. Der bewusste Umgang mit der Schöpfung lässt Dankbarkeit wachsen, die Zufriedenheit bedingt und schließlich glücklich sein lässt.
Welche Aufgabe hat ein Kloster in der heutigen Zeit?
Pater Gerfried: Klöster sind immer noch Leuchttürme einer Lebenskultur, die zunächst exotisch anmutet, aber eine Ordnung verfolgt, die vielen Menschen heute fehlt. Ein Geheimnis ist wohl die Kontinuität über einen sehr langen Zeitraum, die zur Verlässlichkeit wird. In der Beliebigkeit unseres Zeitgeistes braucht es diese Verlässlichkeit mehr denn je und so sind Klöster Oasen der Gottsuche und der Stille in einer Zeit, die sich längst selbst überholt hat. Wer dabei meint, Klöster sind von Gestern, täuscht sich, denn sie stellen sich mit ihren auf Sinnfindung ausgerichteten Programmen durchaus dem Fragen des modernen Menschen, der vielleicht dieser Modernität überdrüssig geworden ist und Sehnsucht nach weniger Geschwindigkeit hat. Dabei darf sich ein Kloster aber niemals als geschützte Werkstätte verstehen, in der man ein dolce vita unter dem Deckmantel der Stille erfährt, sondern ein Kloster sollte heute Beweis dafür sein, dass Fleiß und Konsequenz nicht ermüdend, sondern zielführend sind. Klöster sind ein gutes Beispiel, wie Visionen durch Ausdauer und Konsequenz wachsen und schließlich Wurzeln schlagen. Gerade gegen die Kurzlebigkeit und Unverbindlichkeit unserer Zeit kann das einen starken Vorbildcharakter besitzen und zum Umdenken führen, indem wieder Wesentliches in den Fokus gerückt wird.
Klöster sind immer noch Leuchttürme einer Lebenskultur, die zunächst exotisch anmutet, aber eine Ordnung verfolgt, die vielen Menschen heute fehlt.
Können Klöster heute auch zur emotionalen Intelligenz und digitalen Kompetenz beitragen?
Pater Gerfried: Durchaus, das Wahrnehmen des humanen Umfelds fordert eine der Selbstreflexion entwachsene Sensibilität. Benedikt würde das richtige Maß als Grundlage guten Begegnens sehen – das trifft ebenso auf digitale Kompetenz zu, wo das Maß des Zulassens moderner Medien über Nutzen und Schaden des Users entscheidet. Nicht zuletzt bedarf es einer vielfach trainierten Disziplin, um den Spagat zwischen Tradition und Fortschritt zu schaffen, ohne dabei Opfer der Evolution zu werden.
Was meinen Sie, wenn Sie sagen, Klöster müssen heute up to date sein?
Pater Gerfried: Ich finde es mehr als peinlich, wenn sich die Kirche und auch die Klöster verbiegen, um sich dem Zeitgeist anzupassen und dabei alle möglichen und unmöglichen Formen finden, um „modern“ zu sein. Up to date bedeutet für mich, dass eine Botschaft, die sich aus alten Wurzeln nährt, in die Sprache des Heute übersetzt wird, ohne dabei zur Unkenntlichkeit verstümmelt zu werden. Klöster dürfen dabei durchaus eine gewisse „Strenge“ zeigen, dass es sich auszahlt, für eine Überzeugung auch Mühen auf sich zu nehmen und nicht alles mitmachen, wo alle mitmachen, sondern durchaus auch Korrektiv in einer Zeit sein, in der sich niemand traut, Dinge aufzuzeigen, die völlig daneben gehen und aus dem Ruder laufen. Natürlich haben auch die modernen Medien vor den Klostermauern nicht Halt gemacht und die Versuchung ist groß, dem allgemeinen kirchlichen Populismus zu erliegen, aber gleichzeitig ist das die enorme Herausforderung im Jetzt, den Wert eines alten Schatzes deutlich zu machen. Dabei ist Authentizität das Ausschlaggebende … um Menschen zu mögen, muss ich mich zunächst selbst mögen und das Leben, das ich lebe … Das gilt auch für den Mönch!