Gesang der Engel
Veröffentlicht von waltergrafik am
Kultur
Gesang der Engel
Im Stift Heiligenkreuz singen die Mönche seit beinahe 900 Jahren den regorianischen Choral und stürmten damit vor einiger Zeit die internationalen Charts.
Heiligenkreuz, 18.00 Uhr, Vesper: Ganz in weiß gekleidet erheben die Zisterzienser im Chorgestühl ihre Stimmen. Klar, melodisch, einprägsam scheint ihr Gesang nach oben zu streben. Die Zuhörenden im Kirchenschiff werden vom Rhythmus eingefangen, auch wenn sie kaum eines der lateinischen Worte verstehen.
Als wir eine halbe Stunde später im Auto sitzen, spricht niemand. Die Musik klingt noch immer in uns nach, mir ist, als würden die Mönche in meinem Kopf weitersingen. Wann immer ich in den nächsten Wochen zur Ruhe kommen will, erinnere ich mich an diesen Gesang. Und wenn es möglich ist, höre ich mir eine der CDs an oder klicke in den Livestream der Chorgebete und die ganz spezielle Atmosphäre ist wieder da, die meinen Puls nach unten gehen und meine Nerven entspannen lässt.
Mehr als drei Stunden täglich singen die Zisterzienser von Stift Heiligenkreuz den Gregorianischen Choral, der seinen Ursprung im 4. Jahrhundert hat und dessen Texte aus der Bibel stammen. Begonnen wird frühmorgens um 5.15 Uhr mit den Vigilien, daran schließen sich die Laudes und die Konventmesse bis 7.10 Uhr an. Erst dann gibt es Frühstück und ab 8.00 Uhr wird bis zur Terz und Sext um 12.00 Uhr gearbeitet. Ähnlich sieht es am Nachmittag aus, mit der Komplet um 19.50 Uhr klingt der Tag aus. „Menschen, die zu uns kommen, machen die erstaunliche Erfahrung, dass nicht der Kalender unseren Tag taktet, nicht Termine, die abgehakt werden, das Wichtigste sind, sondern, dass die Chorgebete unsere Zeit strukturieren“, erläutert Abt Maximilian Heim, der als Mensch, der eher spätabends aktiv wird, täglich zwei Opfer bringt: morgens früh aufzustehen und abends zeitig zu Bett zu gehen.
„Ich habe es in der Popwelt gemerkt, dass die Menschen oft innerlich sehr leer und bedürftig sind, da sie sich nur über den äußeren Erfolg definieren und das ist etwas sehr Vergängliches.“
PATER KARL
Fenster zum Himmel
Auch die 96 Mönche von Heiligenkreuz schöpfen Kraft aus ihrer Musik. „Wenn wir heute singen, sind wir nicht alleine, sondern reihen uns in eine lange Tradition ein. Seit der Gründung unseres Stiftes 1133 wird hier der Gregorianische Choral gesungen, ein ununterbrochenes Gotteslob. Die Gesänge sind vom Himmel abgeschaut, es ist, als stehe der Himmel während der Liturgie offen. Wir sind nicht die Akteure, sondern lassen uns in den Gebetsstrom hineinfallen“, beschreibt Abt Maximilian sein Empfinden. „Der Gregorianische Choral verbindet uns mit unseren Vorgängern, schweißt uns zusammen, lässt uns in der Seele Ruhe finden und gibt uns Kraft, damit wir unsere Aufgaben erfüllen können.“
Diese Wirkung der Chant-Musik erklärt vermutlich die weltweite Aufmerksamkeit und den Medienrummel, der 2008 auf die Zisterzienser im beschaulich im Wienerwald gelegenen Heiligenkreuz hereinbrach.
Sensation in der Popwelt
Zufällig beteiligten sich die Mönche von Stift Heiligenkreuz an einem Wettbewerb des Musik-Giganten Universal. „Ein Freund des Klosters hatte uns darauf aufmerksam gemacht“, erzählt Abt Maximilian, „uns sagte Universal Music damals gar nichts und es war uns nicht bewusst, dass das Label ein weltweites Projekt plante.“
Am letzten Tag der Frist schickten die Brüder ein selbstgedrehtes YouTube-Video und die Sensationsgeschichte begann. Begeistert von dem Gesang produzierte Universal Music die CD „Chant – Music for Paradise“ mit den Zisterziensern, die in England sofort unter die Top-Ten der Pop-Charts kam und ihren Siegeszug durch viele Länder startete. Die Aufnahme wurde mehrfach mit Platin und Gold ausgezeichnet, stand wochenlang an der Spitze der US-Billboard Charts, wo sie Madonna und Amy Winehouse von den Plätzen verdrängte, erhielt den Echo-Klassik-Preis und einige Awards. Die Medien berichteten von den singenden Mönchen aus Heiligenkreuz, die zu TV-Shows wie „Wetten, dass … ???“ und „Markus Lanz“ eingeladen wurden.
Pater Karl bei Thomas Gottschalk
„Der damalige Abt Gregor hat weise entschieden“, erinnert sich sein Nachfolger. „Er hat Pater Karl in die Öffentlichkeit geschickt und darauf geachtet, dass beispielsweise auf dem Cover Mönche abgebildet waren, die bei der Produktion gar nicht dabei waren, um mögliche Star-Allüren zu vermeiden.“ Da für die Zisterzienser der Choral gesungenes Gebet ist, fanden die Aufnahmen auch nicht im Studio, sondern in der Kirche statt. Und die zahlreichen Einladungen, in großen Konzerthäusern aufzutreten, wurden ebenso ausgeschlagen wie der Vorschlag, auf eine Tournee zu gehen. „Unsere erste Aufgabe als Mönch ist es, Gott zu loben“, betont Abt Maximilian Heim „wenn wir singen, soll das keinen Eintritt kosten, jeder kann zum Chorgebet kommen. Wir haben die Möglichkeit genutzt, den Menschen niederschwellig unser Leben näherzubringen. Beispielsweise als Pater Karl bei Thomas Gottschalk zu Gast war.“
Auf der berühmten Couch des Entertainers antwortete der Zisterzienser auf die Frage von Gottschalk, warum in einer Zeit, in der gerne Rap, Techno und eher aggressive Musik gehört wird, die Choral-Gesänge plötzlich so einen Erfolg verbuchen konnten: „Ich glaube, dass das, was wir betend singend, etwas Heilsames und Stärkendes für die Leute ist. Irgendwie klingt durch diesen Gesang der Engel, wie man die Gregorianik auch nennt, etwas aus einer anderen Welt herüber und das fasziniert die Menschen.“ Wie gut, dass die Zisterzienser mehrere CDs mit ihrem Choral aufgenommen haben. Besonders eindrucksvoll ist es allerdings, wenn man das Chorgebet live erlebt – in Heiligenkreuz, 18.00 Uhr, Vesper.
Choral auf CD:
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www.klosterladen-heiligenkreuz.at